„Es fühlt sich toll an, Teil der Lösung zu sein“
Jean-Luc Michel, Leiter der Strategic Business Unit Companion Animals bei Boehringer Ingelheim, erklärt, warum Prävention und die Bindung zwischen Mensch und Tier so wichtig sind, und warum er voll und ganz hinter dem Welt-Tollwut-Tag steht.
Am 28. September engagieren sich viele Unternehmen und Institutionen aktiv am Welt-Tollwut-Tag. Warum ist es Ihrer Meinung nach so wichtig, sich daran zu beteiligen?
Zunächst einmal wird an diesem Datum ja auch des großen Wissenschaftlers Louis Pasteur gedacht, der die ersten Tollwut-Impfstoffe überhaupt entwickelt und dadurch die Grundlagen für die Tollwutprävention geschaffen hat – der 28. September ist sein Todestag. Für uns als wissenschafts- und forschungsorientiertes Unternehmen ist es eine Selbstverständlichkeit, einen solch wichtigen Tag zu unterstützen. Darüber hinaus hat unser Vorgänger, das Institut Mérieux, den ersten inaktivierten, mithilfe von Zellkulturen entwickelten Tollwut-Impfstoff der Welt entwickelt. Und Lyon wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer der Geburtsstätten der industriellen Impfstoffproduktion. Marcel Mérieux, der das Institut im Jahre 1897 gegründet hatte, war im Übrigen ein Schüler von Pasteur. Dadurch erklärt sich unsere Verbundenheit mit diesem Thema. Darüber hinaus setzen wir uns für Prävention ein und wissen, dass sich die Tollwut ausrotten lässt. Somit stehen wir also voll und ganz hinter dem Welt-Tollwut-Tag.
Im Juni 2018 hat die WHO ihren globalen strategischen Plan „Zero by 30“ veröffentlicht. Ziel ist es, dass bis zum Jahr 2030 keine Menschen mehr an durch Hunde übertragenen Tollwutinfektionen sterben sollen. Wie groß ist das Problem?
Schätzungen zufolge sterben jährlich 59.000 Mensch an Tollwut – 40 Prozent der Opfer sind Kinder. Die am stärksten betroffenen Gebiete liegen in Asien und Afrika, insgesamt tritt diese Viruserkrankung aber in über 150 Ländern bzw. Regionen auf. Hundebisse sind für fast alle menschlichen Krankheitsfälle verantwortlich. Daher können wir die Tollwut ausmerzen, indem wir die Aufmerksamkeit für die Erkrankung erhöhen, Hunde impfen lassen – das vermeidet die Erkrankung an ihrer Quelle – und Menschen behandeln, nachdem sie gebissen wurden. Ich persönlich glaube, dass Prävention im Vergleich zu einer Behandlung immer der bessere Weg ist, da Impfungen Leben retten und vergleichsweise kostengünstig sind.
Ist das Ziel zu hochgesteckt?
Man muss sich ehrgeizige Ziele setzen, und Tollwut ist nun mal ein großes Problem. Wir stellen uns einer großen Aufgabe und verfolgen ein hohes Ziel. Diese Kampagne versucht, vor Ort ein Bewusstsein für Tollwut zu schaffen und dafür, Hunde zu impfen lassen – mit dem Ziel, die Krankheit beim Menschen zu vermeiden. Eine grundlegende Voraussetzung hierfür ist, dass Veterinär- und Humanmedizin eng zusammenarbeiten. Die vorhin genannten Zahlen sind gerade deshalb so tragisch, da sich die Übertragung von Tollwut zu 100 Prozent vermeiden lässt, und zwar mithilfe eines geeigneten Impfprotokolls und einer entsprechenden Aufklärungskampagne. Als eines der führenden Unternehmen in der Tiergesundheitsbranche und als Hersteller des umfassendsten Angebots an Tollwut-Impfstoffen weltweit empfinden wir es als unsere Aufgabe, uns hier besonders zu engagieren.
Es ist wichtig, zu wissen, dass auch andere Organisationen die WHO hierbei unterstützen, so etwa die OIE, FAO und GARC. Das gemeinsame Vorgehen zielt darauf ab, die Tollwut komplett auszurotten und gleichzeitig die Gesundheitssysteme für Menschen und Tiere so weit zu stärken, dass auch die unterversorgtesten Bevölkerungen der Welt erreicht werden. Dieser Ansatz steht auch im Einklang mit den „Nachhaltigen Entwicklungszielen“ der Vereinten Nationen.
Ein Hindernis bei der Umsetzung dieses Projekts werden unter Umständen jedoch die vielen Mythen zum Thema Impfungen sein. Wir müssen das Image von Impfstoffen durch aktive Überzeugungsarbeit verbessern. Das hilft dann dabei, unbegründete Argumente zu entkräften und den Zugang zu Impfstoffen verbessern. Ziel ist dabei, die heutige und künftige Bekämpfung der Erkrankung sicherzustellen. In diesem Punkt müssen die Regulierungsbehörden, Forscher, Unternehmen, Tierärzte, Medien und die Öffentlichkeit zusammenarbeiten, um Mythen und Realität voneinander zu trennen und ein klares Verständnis für die Vorteile und Risiken von Impfstoffen zu entwickeln.
Sie sagten vorhin, dass Sie immer die Vorbeugung der Behandlung vorziehen würden. Können Sie noch einmal erklären, was genau Sie damit meinen?
Prävention ist absolut entscheidend. Das alte Sprichwort „Vorbeugen ist besser als Heilen“ gilt ganz sicher auch für die Tiergesundheit. Die Kosten für Prävention betragen häufig nur einen Bruchteil der potenziellen Behandlungskosten im fortgeschrittenen Stadium. Außerdem können die frühzeitige Diagnose und Behandlung die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen, dass das Ergebnis der Behandlung erfolgreich ist. Die Kosten sind aber natürlich nur ein Aspekt unter vielen: Am wichtigsten ist es, Tiere gegen Schmerzen und Leiden zu schützen.
Wenn wir das Thema ganzheitlicher betrachten, stellen wir fest, dass der Schutz von Tieren unsere Zukunft sichert. Prävention und Bekämpfung von ansteckenden Erkrankungen haben einen hohen Nutzen für die Landwirtschaft, Nahrungsmittelsicherheit, öffentliche Gesundheit, Tierwohl und den Zugang zu Märkten, um nur einige Punkte zu nennen.
Wir sind dabei, wenn es darum geht, die aktuellen Herausforderungen anzugehen und die Welt positiv zu beeinflussen. Deshalb sind wir von ganzem Herzen überzeugt von dem, was und wie wir es tun. Es treibt uns an, ein Teil der Lösung zu sein, das motiviert und inspiriert uns – es ist einfach ein tolles Gefühl.
Heutzutage wird häufig von der Bindung zwischen Mensch und Tier gesprochen. Was ist Ihre Meinung hierzu?
Es ist erwiesen, dass die Bindung zwischen Mensch und Tier positiv für den Menschen sein kann. Tiere sprechen grundlegende menschliche Bedürfnisse nach Gesellschaft, Wärme und Sicherheit an. Das Zusammenleben mit Haustieren verbessert und bereichert das menschliche Leben, vor allem durch mehr Gesundheit, Wohlergehen und Lebensqualität.
Haustiere können für uns beispielsweise ein Anlass zu sportlicher Betätigung, ein Mittel gegen Einsamkeit und liebevolle Gefährten sein. Ich bin überzeugt, dass Tiere nicht nur unsere Zufriedenheit, sondern auch unsere Gesundheit positiv beeinflussen können.
Was möchten Sie uns zum Abschluss noch mit auf den Weg geben?
Ich bin mir sicher, dass der Schwerpunkt auf Prävention der richtige Weg für die Zukunft ist, und das gilt nicht nur für ein Unternehmen wie das unsere: Beispielsweise legt auch die Europäische Union in ihrer Tiergesundheitsstrategie den Schwerpunkt darauf, Prävention einer Behandlung vorzuziehen. Neulich habe ich ein Zitat von Bill Gates gelesen: „Behandlungen ohne Prävention sind schlicht nicht nachhaltig“. Damit hat er sich zwar möglicherweise auf eine andere Branche bezogen, dennoch sind diese Worte für viele Bereiche unseres Lebens zutreffend, auch für die Tiergesundheitsbranche. Außerdem bin ich überzeugt: Je gesünder die Tiere sind, desto gesünder ist auch der Mensch. Das halten wir uns tagtäglich vor Augen, und zwar bei allem, was wir tun.
Erfahren Sie mehr über den Blogger:
Nach seiner Promotion an der Fakultät für Pharmazie der Universität von Lyon und einem MBA an der EM Lyon Business School begann Jean-Luc Michel seine berufliche Laufbahn mit der Gründung seiner eigenen Beratungsgesellschaft. Seit 1991 ist er in der Pharmabranche tätig und hat dort über einen Zeitraum von zehn Jahren umfassendes Know-how in den Bereichen Selbstmedikation und Ernährung aufgebaut. In dieser Zeit bekleidete er eine Reihe von leitenden Positionen im Marketing und Vertrieb in Frankreich bei Monsanto (Searle) und Johnson&Johnson / Merck & Co, wo er Mitglied des Executive Committee der französischen Tochtergesellschaft war.
Im Jahr 2001 kam Jean-Luc Michel schließlich zu Merial, einem führenden Unternehmen der Tiergesundheitsbranche, wo er mehrere zentrale Führungspositionen innehatte wie beispielsweise als EMEA Marketing Director für das Companion Animal Global Enterprise, als Marketingleiter EMEA, Executive Marketing Director (Haustiergeschäft) in den USA sowie als VP und Leiter der Pet Vet Business Unit. Im Jahr 2016 wurde er dann Mitglied des Executive Committee von Merial und übernahm den Posten des Leiters Global Commercial Development.
Nach der Übernahme von Merial durch Boehringer Ingelheim wurde Jean-Luc Michel zum Leiter der Global Companion Animal Strategic Business Unit ernannt und Mitglied des Executive Committee der Boehringer Ingelheim Animal Health Business Unit.