Digitale Innovation: „Unsere digitale Pipeline wächst immer weiter“

Boehringer Ingelheim hat eine Software zur Förderung der Patientensicherheit vollständig im eigenen Haus entwickelt und sie an einen der Marktführer für Sicherheits- und Life-Science-Software verkauft – ein eindrucksvoller Beweis für die Fähigkeit des Unternehmens, digitale Lösungen zu entwickeln, die einen echten Nutzen für Patientinnen und Patienten bieten.

Es war ein Durchbruch, ein Novum in der Unternehmensgeschichte von Boehringer Ingelheim. Im April 2022 schloss das Unternehmen den Verkauf einer selbst entwickelten Software an ArisGlobal, einer der Marktführer für Arzneimittelsicherheitslösungen, ab. Ein Pharmaunternehmen, das Software entwickelt und verkauft – ist das sinnvoll?

„Absolut“, sagt Markus Schümmelfeder, Leiter IT bei Boehringer Ingelheim. „Digitale Lösungen können einen enormen Nutzen für Patienten haben. Sie sind für uns eine zentrale Säule, um das Leben der Patienten zu verändern. Wenn wir unsere Innovationen für den Wettbewerb verfügbar machen, können mehr Menschen davon profitieren.“ BRASS sei ein Meilenstein für Patienten, aber auch für Boehringer Ingelheim. Das Interesse anderer Unternehmen zeige, dass „wir in der digitalen Produktentwicklung ziemlich gut sind und unsere Innovationen sehr gut ankommen“, sagt Schümmelfeder.

Um mehr über diese innovative Technologie zu erfahren, die als BRASS bekannt wurde und nach ihrer Markteinführung LifeSphere Clarity heißen wird, muss man mit Isabel Klör, Lead Risk Management Physician und Product Owner, sprechen. Klör war schon in einem sehr frühen Stadium Teil des Projektteams. Sie spricht schnell, wählt ihre Worte aber sorgfältig. Es ist ihr wichtig, dass jeder den Mehrwert dieser Lösung versteht, für die sie sich selbst so sehr begeistert: „Um es kurz zu machen, hilft uns die Software, Muster in Patientensicherheitsdaten zu erkennen, um die sicherste Therapieoption für Patientinnen und Patienten anzubieten.“ Wie? Indem Daten aus verschiedenen Quellen kombiniert – und mit Hilfe von Automatisierung und künstlicher Intelligenz konsolidiert werden. Die Software zeigt mögliche Gründe, warum etwas passiert ist; mittels Modellierung werden möglichen Auswirkungen verschiedener Einflüsse sichtbar. „Sie bietet Einblicke, die sonst nur schwer oder gar nicht zu finden sind. Damit ist sie ein wichtiger Meilenstein, um Pharmakovigilanz und Patientensicherheit voranzutreiben – nicht nur für uns, sondern branchenweit.“

Von der Idee bis zum Durchbruch

Alles begann im Jahr 2017, als das Team für Patientensicherheit und Pharmakovigilanz (PSPV) erstmals an der Entwicklung eines Konzepts für eine digitale Plattform arbeitete. Von Anfang an war es das Ziel, Patientensicherheitsdaten aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und die schier unendliche Menge an Daten effizienter und strukturierter zu gestalten. Es dauerte nicht lange, bis sich das Team mit BI X, dem digitalen Labor von Boehringer Ingelheim, in Verbindung setzte, um Kräfte zu bündeln. In mehreren Sprints, also einem iterativen Prozess, nahm die Idee von BRASS Gestalt an.

„BI X ist sehr gut darin, den Markt zu sondieren und zu entscheiden, ob man die Initiative ergreift oder nicht“, sagt Clemens Utschig-Utschig, Leiter IT Technology Strategy. Dazu gehört auch die Recherche, ob es bereits ähnliche Innovationen gibt, auf die man sich stützen kann, oder ob die Nische bereits besetzt ist. „Wir sind streng werteorientiert“, betont Utschig-Utschig.

Digitale Innovationen sind teuer in der Entwicklung und können nur dann durchgeführt werden, wenn sie mindestens eines der folgenden drei Kriterien erfüllen:

  • Prozessbeschleunigung: Werden bestehende Produkte und Prozesse so verbessert, dass sie einen echten Mehrwert für das Unternehmen und unsere Patienten haben?                  

  • Direkte Einnahmen: Kann das Produkt kommerzialisiert und direkt vermarktet werden – durch einen Verkauf oder durch Lizenzgebühren?                     

  • Indirekte Einnahmen: Schafft die digitale Lösung Bewusstsein und fördert sie die Gesundheitsversorgung und damit indirekt unser Therapieangebot?

Wenn die Antwort auf eine dieser Fragen „ja“ ist, arbeiten BI X, IT und der Product Owner aus dem Unternehmen an einem Pilotprojekt. Nach der Pilotphase übernimmt in der Regel die IT. Sie kann Projekte skalieren und auf einem globalen Markt einführen.

„Das Zusammenspiel funktioniert“, sagt Markus Schümmelfeder ohne zu zögern. „Im Vergleich zu unseren Mitbewerbern sind wir gut aufgestellt. Wir spielen an der Spitze. Gleichzeitig gilt: Wir wollen schneller werden und noch mehr Ideen und Projekte umsetzen.“ Auf jeden Fall ist das Interesse verschiedener Funktionen im Unternehmen da; zahlreiche Vorschläge und Ideen werden eingebracht. „Jedem ist klar, dass digitale Lösungen unverzichtbar geworden sind.“

Und so ist es fast überflüssig zu erwähnen, dass BRASS nur eine von vielen digitalen Lösungen aus der Pipeline von Boehringer Ingelheim ist Und so ist es fast überflüssig zu erwähnen, dass BRASS nur eine von vielen digitalen Lösungen aus der Pipeline von Boehringer Ingelheim ist. In China will das Unternehmen beispielsweise Schlaganfallpatienten noch in diesem Jahr eine digitale Rehabilitationslösung anbieten. „In vielen Ländern sind die angebotenen Mittel für die Rehabilitation nicht mit denen in Deutschland oder den USA vergleichbar“, sagt Utschig-Utschig. Ein hoher Anteil der Schlaganfallpatienten in China beispielsweise wird nach einem Schlaganfall nicht rehabilitiert. Eine digitale Behandlungsplattform wird es Patienten und ihren Betreuern bald ermöglichen, Zugang zu Logopädie, Physiotherapie und kognitiver Therapie zu erhalten. „Die Nachfrage ist enorm. Wir denken, dass wir hier wirklich etwas bewegen können.“ Gelingt der Launch in China, könnte bald eine Einführung der App in weiteren Ländern folgen.

„Unsere Pipeline wächst immer weiter“, sagt Schümmelfeder. Er ist zuversichtlich, dass BRASS nicht die letzte von Boehringer Ingelheim entwickelte digitale Innovation sein wird, die einem größeren Publikum zugänglich gemacht wird.

Inzwischen arbeitet das BRASS-Projektteam an zwei Zielen. Intern ist der Einsatz der validierten Software im Gange – und das in der Patientensicherheit, also einem Bereich, der in hohem Maße durch regulatorische Kontrolle gekennzeichnet ist. Die ersten Anwendungsfälle wurden mit vielversprechenden Ergebnissen abgeschlossen. Parallel dazu arbeiten der Software-Entwickler Boehringer Ingelheim und der Software-Akquisiteur ArisGlobal eng zusammen, um Technologie und Fachwissen zu übergeben. Die Idee hinter BRASS und deren Weiterentwicklungen soll bald für viele weitere Organisationen, die mit der Bewertung der sicheren Verwendung von Arzneimitteln beauftragt sind, zugänglich sein.