Neue Therapien für NF1 auf dem Prüfstand
Wien, 10. Dezember 2024 – Neue Hoffnung für Menschen, die an der seltenen genetischen Tumorveranlagung Neurofibromatose Typ 1 (NF1) leiden: Die MedUni Wien und Boehringer Ingelheim haben einen innovativen Ansatz entwickelt, um neue Therapieansätze für NF1-bedingte Tumoren zu entwickeln. Das Projekt soll helfen, die Mechanismen der seltenen Krankheit besser zu verstehen und innovative Behandlungsoptionen zu finden.
Internationale Forschungskooperation durch FFG gefördert
Die MedUni Wien (Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Zentrum für Krebsforschung) und Boehringer Ingelheim RCV bildeten gemeinsam mit der Patientenorganisation NF Kinder und dem Dana-Farber Cancer Institute (Harvard, Boston) ein Forschungskonsortium. Dieses arbeitet daran, die komplexen biologischen Abläufe, die zur Tumorentstehung bei NF1 führen, besser nachzuvollziehen. Dafür setzen die Forschenden auf innovative Versuchsmodelle und Untersuchungen der Tumoren in Interaktion mit ihrer natürlichen NF1-alterierten Gewebsumgebung, um den Zustand bei den Betroffen bestmöglich nachzustellen.
„Gelingt es uns etwa, die intrazelluläre Signalübertragung und die Zell-Zell-Interaktionen gezielt zu hemmen, könnte dies einen Durchbruch in der Behandlung von NF1 bedeuten“,
führt Özlem Yüce Petronczki, Projektleiterin bei Boehringer Ingelheim RCV, aus. „Unser Ziel ist es, Schritte für die Entwicklung von Therapeutika der nächsten Generation und Kombinationstherapien zur Bekämpfung von NF1-assoziierten Tumoren zu setzen. Das wäre der Grundstein für wirksamere und besser verträgliche Therapien“, ergänzt Johannes Gojo, Professor für Pädiatrische Neuro-Onkologie an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde.
Die unmittelbare Zusammenarbeit von Wissenschaft und forschender Industrie soll eine möglichst direkte Umsetzung in die Klinik ermöglichen. „Innovative Forschung zur Behandlung von seltenen Krankheiten wie NF1 erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen akademischen und industriellen Partnern“, sagt Walter Berger, Professor für Angewandte und experimentelle Onkologie am Zentrum für Krebsforschung. Gefördert wird das Projekt vom BRIDGE-Programm der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Nahe am Tumor: Innovative Forschungsansätze direkt in der Klinik
Gemeinsam mit der Patientenorganisation NF-Kinder wollen die MedUni Wien und Boehringer Ingelheim vielversprechende Wirkstoffe direkt an Primärtumoren, d.h. an aus individuellen Patient*innen stammenden Proben, testen. Konkret werden neuartige therapeutische Ansätze zur Blockierung abweichender Signale in NF1-Krebszellen untersucht und deren Auswirkungen auf die Mikroumgebung des Tumors sowie das Immunsystem analysiert. Die Entwicklung verbesserter Therapien für seltene Erkrankungen, insbesondere sogenannte „RASopathien“ (also krankhafte genetische Veränderungen eines speziellen Aktivierungsweges der Zellen), begleitet Boehringer Ingelheim schon seit Jahren. Potenzielle Lösungen wie ein KRASMulti Inhibitor geben Betroffenen Anlass zu Hoffnung. „Menschen mit NF1 können aufgrund einer genetischen Veränderung ab jüngster Kindheit und ihr Leben lang von einer Vielzahl an unterschiedlichen Tumorarten betroffen sein. Je besser wir NF1-bedingte Tumoren verstehen, umso eher wird es uns in Zukunft gelingen, effektive Therapien anbieten zu können“, betont Amedeo Azizi, Leiter der NF-Kinder-Expertisezentrums an der Medizinischen Universität Wien.
Die Auswirkungen neuer Produkte auf Menschen mit NF1 können im Zuge dieses Projekts nun konkreter bewertet werden. „Innovative Therapien stellen einen wesentlichen Schlüssel zu einer besseren Lebensqualität von Menschen mit NF1 dar und es ist wichtig die Betroffenen frühzeitig in die Entwicklung miteinzubeziehen“, erklärt Claas Röhl, Vorstand des Vereins NF-Kinder. Mit der Arbeit an Therapien für NF1-bedingte Tumoren muss die internationale Zusammenarbeit aber nicht beendet sein. Zukünftig könnte die Kooperationsplattform ihre Forschungen auf andere seltene Krankheiten ausweiten, die bereits an der MedUni Wien und bei Boehringer Ingelheim untersucht werden.
Über Neurofibromatose 1 (NF1)
- Neurofibromatose Typ I (NF1, Von-Recklinghausen-Krankheit) ist eine seltene, genetisch bedingte Multiorganerkrankung. 1:2500 bis 1:3000 Personen sind davon betroffen.1
- NF1 ist ein häufiges Tumorprädisposition-Syndrom: Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krankheiten wie Haut- und Knochenanomalien sowie für Tumore im peripheren und zentralen Nervensystem.2
- Menschen mit NF1 haben oft mit kognitiven Beeinträchtigungen zu kämpfen, die durch die Krankheit verursacht werden.3
Über Boehringer Ingelheim RCV
- Das Boehringer Ingelheim Regional Center Vienna (RCV) steuert das Geschäft mit Human- und Tiergesundheitsprodukten. Zur Region zählen neben Österreich über 30 Länder, vor allem in Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien.
- Darüber hinaus wird von Wien aus wird die klinische Forschung in der gesamten Region koordiniert. Wien ist zentraler Standort für die Krebsforschung sowie für die biopharmazeutische Forschung und Produktion.
- 2023 erzielte das Boehringer Ingelheim RCV Gesamterlöse von 1.383,4 Millionen Euro. In der Region waren 4.686 Mitarbeiter*innen beschäftigt, davon 3.247 in Österreich.
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Lammert et al., Arch Dermatol. 2005; 141:71-74
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Ferner RE, Lancet Neurol 2007; 6: 340-51
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Diggs-Andrews und Gutmann, Trends Neurosci. 2013 April; 36(4): 237-247