Auf Krebszellen ausgerichtete Therapien
Bei Boehringer Ingelheim engagieren wir uns über Generationen hinweg, um einen Wandel in der Krebstherapie zu erreichen und langfristig eine Reihe von Krebsarten zu heilen. Wir investieren in auf Krebszellen ausgerichtete Therapien, die auf zentrale Krebstreiber bzw. Krebsmerkmale abzielen, um die Krebszellen direkt zu töten. Parallel dazu erforschen wir im Rahmen von auf Krebszellen ausgerichteten immunonkologischen Therapien neue Wege, um das Immunsystem zu unterstützen und auf den Kampf gegen Krebszellen auszurichten. Wir gehen davon aus, durch die intelligente Kombination dieser Ansätze den größten Nutzen für Krebspatienten erzielen zu können.
Auf die Krebszelle ausgerichtete Therapien: Krebs im Fadenkreuz
Wir entwickeln Ansätze, um gegen die wichtigsten Krebstreiber wie HER2, KRAS und p53 vorzugehen. Diese Proteine sind in über der Hälfte aller Krebserkrankungen mutiert und treiben zentrale zelluläre Prozesse voran, die an der Entstehung und dem Wachstum von Tumoren beteiligt sind. Forschungsthemen im Bereich der auf Krebszellen ausgerichteten Therapien:
Blockieren abnormer Krebszellensignalübertragung
Unser besonderes Interesse gilt dem Abzielen auf das KRAS-Onkogen und wir haben uns vorgenommen, dadurch das Leben jedes siebten Krebspatienten mit KRAS-mutierten Tumoren positiv zu verändern. Während die ersten kovalenten Inhibitoren der KRASG12C-Variante bereits die Zulassung der US-Arzneimittelbehörde FDA für Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) erhalten haben, besteht bei anderen prävalenten KRAS-Varianten weiterhin Handlungsbedarf. Die Ausweitung der Bandbreite an KRAS-Formen, auf die wir abzielen können, ist inzwischen ein zentraler Bestandteil unserer Strategie. Wir verfügen über mehrere klinische und präklinische Programme, die auf ein breites Spektrum onkogener KRAS-Varianten abzielen. Der erste klinische KRASmulti-Inhibitor befindet sich derzeit in Phase I und wird an Patienten untersucht.
Ein weiteres wichtiges Target ist der Tyrosinkinase-Rezeptor HER2. Mutationen des HER2-Gens werden bei verschiedenen Krebsarten wie Brust-, Magen- und Lungenkrebs beobachtet. Jedes Jahr wird bei ca. 40.000 Menschen weltweit nichtkleinzelliger Lungenkrebs (NSCLC) diagnostiziert, der durch eine aktivierende HER2-Mutation stimuliert wird. Ein erfolgreicher Umgang mit HER2-Mutationen erfordert nicht nur aktive, sondern auch selektive Arzneimittel. So wird sichergestellt, dass Patienten von der Wirksamkeit des Arzneimittels bei Krebs profitieren, ohne unter einschränkenden Nebenwirkungen zu leiden. Wir haben einen hochselektiven und potenten niedermolekularen Inhibitor von HER2 entdeckt, der als orale Behandlung für Patienten mit spezifischen Mutationen im HER2-Gen entwickelt wird und sich derzeit in klinischen Studien der Phase III befindet.
Herbeiführen des Tumorzelltodes
Wir sondieren derzeit die nächste Welle an therapeutischen Targets unter Nutzung des Wissens von NBE Therapeutics. Im letzten Jahrzehnt sind Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (AWKs) zu einer wichtigen, anerkannten Behandlungsmodalität für Krebspatienten geworden. Unter Anwendung des Prinzips der „Zauberkugel“ von Paul Ehrlich zielen AWKs selektiv auf Krebszellen ab und nutzen dabei ein Tumor-assoziiertes Antigen, das von einem Antikörper angeregt wird. Das ist mit einer den Zelltod herbeiführenden Payload verbunden, die nach dem Eintritt in die Zelle aktiviert wird.
Das präklinische AWK-Portfolio wächst stetig und unsere Teams suchen nach innovativen Strategien zur Bekämpfung von Krebszellen. Unsere Technologie ist auf die Entwicklung sehr homogener und stabiler Wirkstoff-Konjugate mit einer begrenzten systemischen, aber leistungsstarken Anti-Tumor-Aktivität ausgelegt. Die nächste Welle an AWK-Programmen ist bereits angelaufen und zeigt erfolgreich frühe Proofs of Concept in zellulären Systemen und Mausmodellen.
Wiederherstellung der Tumor-supprimierenden Transkription
Die Mutation oder Deregulation von Transkriptionsfaktoren kann eine abnorme Genexpression verursachen, einschließlich einer Blockierung der Transkriptionsprogramme für Zelltod und Zelldifferenzierung. Die Aktivität der Transkriptionsfaktoren ist bei den meisten Krebsarten verändert, weshalb dies eine vielversprechende, wenn auch herausfordernde Target-Klasse darstellt. Ansätze zur therapeutischen Beeinflussung der Aktivität der Transkriptionsfaktoren können ein direktes Abzielen auf den Transkriptionsfaktor selbst sowie auf Co-Aktivatoren und Co-Repressoren, epigenetische Regulatoren und Chromatin-Modifikatoren umfassen.
Darüber hinaus werden Signalwege zum Zelltod bei Anwesenheit von Umweltbelastungen aktiviert. Das beinhaltet u.a. den Kontakt mit Mutagenen wie Zigarettenrauch oder ultraviolettem Licht. Der Krebs muss diese Signalwege deaktivieren. Einer der zentralen Signalgeber für Einflüsse im Umfeld der Zelle ist das Tumor-supprimierende Protein p53. Inaktivierende Mutationen bei p53 oder ein erhöhtes Niveau an Proteinen, welche die p53-Aktivität abschwächen, wie beispielsweise MDM2, treten in über der Hälfte aller Krebsarten auf. Wir haben ein Präparat gefunden, das selektiv an MDM2 bindet und seine Steuerung von p53 wieder beendet, sodass es seine Anti-Tumor-Wirkung entfalten und letztlich den Tod der Krebszellen herbeiführen kann. Dieses Präparat befindet sich derzeit in klinischen Studien der Phase II.
Kooperationen sind entscheidend
Unsere Ansätze in der Onkologieforschung verfolgen wir in Kooperation mit weltweit führenden akademischen Experten. Wir sind stolz auf unser wachsendes Netzwerk an Kooperationspartnern, die alle mit großem Engagement das Leben von Patienten verbessern wollen. In Zusammenarbeit mit der von Piro Lito geleiteten Gruppe am Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC) in den USA haben wir beispielsweise ein Profil für einen Inhibitor entwickelt, der KRAS-Onkoproteine allgemein bindet, ohne dass die Notwendigkeit eines kovalenten Bindens an einen spezifischen mutierten Rückstand besteht. Darüber hinaus untersuchen wir mit Alessio Ciulli und seinem Team am Center for Targeted Protein Degradation der University of Dundee, wie Proteolysis Targeting Chimeras (PROTACs) für den Umgang mit herausfordernden Wirkstoff-Targets wie KRAS und Transkriptions-Aktivatoren der SWI/SNF-Familie von Chromatin-Remodellierungsproteinen (SMARCA) genutzt werden können. Unsere akademischen Kooperationen erstrecken sich außerdem u.a. auf die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Dana Faber Cancer Institute der Vanderbilt University sowie mit präklinischen und klinischen Forschern am MD Anderson Cancer Center.
Publikationen
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Popow J, Farnaby W, Gollner A, Kofink C, Fischer G, Wurm M, Zollman D, Wijaya A, Mischerikow N, Hasenoehrl C, Prokofeva P, Arnhof H, Arce-Solano S, Bell S, Boeck G, Diers E, Frost AB, Goodwin-Tindall J, Karolyi-Oezguer J, Khan S, Klawatsch T, Koegl M, Kousek R, Kratochvil B, Kropatsch K, Lauber AA, McLennan R, Olt S, Peter D, Petermann O, Roessler V, Stolt-Bergner P, Strack P, Strauss E, Trainor N, Vetma V, Whitworth C, Zhong S, Quant J, Weinstabl H, Kuster B, Ettmayer P, Ciulli A. Targeting cancer with small-molecule pan-KRAS degraders. Science. 2024 Sep 20;385(6715):1338-1347. doi: 10.1126/science.adm8684.
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Gollner A, Rudolph D, Weyer-Czernilofsky U, Baumgartinger R, Jung P, Weinstabl H, Ramharter J, Grempler R, Quant J, Rinnenthal J, Pérez Pitarch A, Golubovic B, Gerlach D, Bader G, Wetzel K, Otto S, Mandl C, Boehmelt G, McConnell DB, Kraut N, Sini P. Discovery and Characterization of Brigimadlin, a Novel and Highly Potent MDM2-p53 Antagonist Suitable for Intermittent Dose Schedules. Mol Cancer Ther. 2024 Sep 11. doi: 10.1158/1535-7163.MCT-23-0783.
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Wilding B, Woelflingseder L, Baum A, Chylinski K, Vainorius G, Gibson N, Waizenegger IC, Gerlach D, Augsten M, Spreitzer F, Shirai Y, Ikegami M, Tilandyova S, Scharn D, Pearson MA, Popow J, Obenauf AC, Yamamoto N, Kondo S, Opdam FL, Bruining A, Kohsaka S, Kraut N, Heymach JV, Solca F, Neumuller RA. Zongertinib (BI 1810631), an irreversible HER2 TKI, spares EGFR signaling and improves therapeutic response in preclinical models and patients with HER2-driven cancers. Cancer Discov. 2024 Sep 9. doi: 10.1158/2159-8290.CD-24-0306.
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Thatikonda V, Lyu H, Jurado S, Kostyrko K, Bristow CA, Albrecht C, Alpar D, Arnhof H, Bergner O, Bosch K, Feng N, Gao S, Gerlach D, Gmachl M, Hinkel M, Lieb S, Jeschko A, Machado AA, Madensky T, Marszalek ED, Mahendra M, Melo-Zainzinger G, Molkentine JM, Jaeger PA, Peng DH, Schenk RL, Sorokin A, Strauss S, Trapani F, Kopetz S, Vellano CP, Petronczki M, Kraut N, Heffernan TP, Marszalek JR, Pearson M, Waizenegger IC, Hofmann MH. Co-targeting SOS1 enhances the antitumor effects of KRASG12C inhibitors by addressing intrinsic and acquired resistance. Nat Cancer. 2024 Sep;5(9):1352-1370. doi: 10.1038/s43018-024-00800-6.
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Kim D, Herdeis L, Rudolph D, Zhao Y, Böttcher J, Vides A, Ayala-Santos CI, Pourfarjam Y, Cuevas-Navarro A, Xue JY, Mantoulidis A, Bröker J, Wunberg T, Schaaf O, Popow J, Wolkerstorfer B, Kropatsch KG, Qu R, de Stanchina E, Sang B, Li C, McConnell DB, Kraut N, Lito P. Pan-KRAS inhibitor disables oncogenic signalling and tumour growth. Nature. 2023 Jul;619(7968):160-166. doi: 10.1038/s41586-023-06123-3.