Singen bei COPD – Atmung vertiefen, Lebensfreude steigern

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Warum sollten Menschen, die kaum genug Luft zum Atmen haben, auch noch singen? Was so paradox klingt, hat jedoch handfeste medizinische Gründe. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Singen den Krankheitsverlauf bei COPD günstig beeinflussen kann. Denn wer singt, muss lernen, seinen Ausatem-Luftstrom wohl zu dosieren und übt somit ein rhythmisches und vertiefendes Atemmuster ein, dass bei COPD sehr vorteilhaft sein kann. Dass das Singen nicht nur die Atmung „trainiert“, sondern auch sehr viel Freude und Gemeinschaftssinn in sich trägt, macht es für viele Menschen mit COPD zu einer beliebten Ergänzung neben der medikamentösen Therapie – sei es in den eigenen vier Wänden oder in der Chor-Gemeinschaft. Probieren Sie es aus!

Atemmuster bei COPD singend durchbrechen

Bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) führt die krankheitsbedingte Luftnot dazu, dass Betroffene meist hektisch nur über die Atemhilfsmuskulatur in die oberen Bereiche der Lunge atmen – sie neigen daher zu einer reinen Hochatmung, die über die alleinige Bewegung des oberen Brustkorbs erkennbar ist. Die unteren Lungenbereiche, die durch die Bewegung des Zwerchfells be- und entlüftet werden, bleiben hingegen bei diesem Atemmuster oft ungenutzt, so dass CO2 in diesen Bereichen der Lunge zurückbleibt und weniger Sauerstoff zur Verfügung steht als eigentlich möglich wäre – ein Teufelskreis für Menschen mit COPD.

Singen kann dieses Muster durch regelmäßiges Üben auf lustvolle Art und Weise durchbrechen. Das Praktische ist: Der „Trainingscharakter“ wird dadurch, dass Singen eben einfach Spaß macht, in seiner Anstrengung kaum empfunden. Dennoch ist die Veränderung des Atemmusters das Zentrum und Ziel des Aufwärmens, Einsingens und Einstudierens von Liedern.

Denn wer singt, muss lernen, seinen Ausatem-Luftstrom wohl zu dosieren und übt somit ein rhythmisches und vertiefendes Atemmuster ein, dass bei COPD sehr vorteilhaft sein kann. Dass das Singen nicht nur die Atmung „trainiert“, sondern auch sehr viel Freude und Gemeinschaftssinn in sich trägt, macht es für viele Menschen mit COPD zu einer beliebten Ergänzung neben der medikamentösen Therapie – sei es in den eigenen vier Wänden oder in der Chor-Gemeinschaft. Probieren Sie es aus!

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„Singen ist die Kunst der kleinsten Bewegungen, 
in ihr jedoch liegt eine runde, ruhige Kraft!“

Dr. Anette Einzmann
Atem- und Gesangspädagogin, Chorleiterin bei Pneumissimo e. V.

Kleinste Bewegungen mit großer Wirkung

Durch unterstützende Vorübungen und das Singen selbst können Menschen mit COPD lernen, ihren Ausatem-Luftstrom durch die ergänzende Bewegung des Zwerchfells stetig zu verlängern und auch die unteren Lungenbereiche zu nutzen.  Auf diese Weise wird es möglich über die dichte Schwingung der gesungenen Liedphrasen CO2 besser abzuatmen. Die darauffolgende Einatmung geschieht schließlich wie von selbst – reflektorisch – und vertieft sich zunehmend, so dass sich auch die Sauerstoffsättigung verbessern kann. Das übergeordnete Atemmuster wird allmählich rhythmischer, ruhiger und raumeinnehmender, was nicht nur für das Singen notwendig ist, sondern insbesondere auch Menschen mit COPD dabei hilft, die verbliebene Lungenkapazität besser zu nutzen als beim hektischen „nach Luft schnappen“. Die mit schwingenden Tönen verbundene Resonanz und die Vibration können zudem das Abhusten von Schleim erleichtern.

Das Resultat aus therapeutischer Perspektive: Nach dem Üben können Betroffene oft freier atmen und sind in ihrem Alltag belastbarer – die Lungenfunktion kann sich verbessern und auch die Überblähung der Lunge kann vermindert werden. Ergänzend fühlen sich geübte Hobbysänger sicherer mit ihrer Stimme, die bedingt durch die COPD oft tiefer und rauer ist. Nicht zuletzt ermöglicht es das Singen als die „Kunst der kleinen, internen Bewegungen“ auch denjenigen, für die der Lungensport zu anstrengend geworden ist, aktiv zu bleiben und Atem- und Rumpfmuskulatur zu nutzen.

„Always look on the bright side of life“– Singen für Lunge, Geist und Seele

Singen ist nicht nur ein hilfreiches Mittel, um bei COPD optimierte Atemmuster zu üben, sondern tut auch Geist und Seele gut. Neben der schwungvollen Freude, die das Singen von flotten, stimmungsvollen Liedern mit sich bringt, bietet das Singen in spezialisierten Chören für Menschen mit eingeschränkter Lungenfunktion, wie z. B. dem Kölner Chor Pneumissimo e. V., eine starke Gemeinschaft und ermöglicht den Austausch untereinander. Dabei ergeht es den meisten ähnlich:

Singen bei COPD

„Beim Singen vergesse ich alle Sorgen und kann
für einen Moment vollkommen aus dem Alltag aussteigen.“

Marianne (71)
Chormitglied bei Pneumissimo e. V.

Gesangserlebnis für zu Hause – Mit dem Chor Pneumissimo e. V.
den Atem zum Schwingen bringen

Zum Singen braucht man eigentlich nur ein einziges Gesangsinstrument: nämlich sich selbst. Aus diesem Grund ist es dafür prädestiniert, um einfach und unkompliziert auch in den eigenen vier Wänden zu üben und trainieren. 

Aufwärmen – Einsingen – Singen

Um das Zweckvolle mit dem Angenehmen zu verbinden, sollte insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Lungenfunktion jedem Singen ein auflockerndes körperliches Aufwärmen sowie ein Einsingen vorausgehen: 

  • Körperliches Aufwärmen: Beim Warm-Up wird der „Spannungshaushalt“ des Körpers umstrukturiert. Dabei wird der Oberkörper, der bedingt durch die Luftnot oft übermäßig angespannt ist, gelockert und der Fokus durch den Aufbau einer elastischen Kraft auf eine bewusste Wahrnehmung der Körperbasis, wie z. B. das Becken, sowie der Atmung gelenkt. Die Einatmung vertieft sich dabei, das Atemmuster verändert sich allmählich.

  • Einsingen: Auf dieser Grundlage, kann das Einsingen folgen, mit dem die Stimmbänder aufgewärmt und eine spätere Heiserkeit oder ein Kratzen im Hals verhindert werden sollen. Gleichzeitig wird der Atem zum Schwingen gebracht und damit hörbar.

Aufwärmen und Einsingen sind daher ein essenzieller Teil des Singens – sowohl für professionelle Sänger als auch für Menschen mit Einschränkungen der Lungenfunktion im Besonderen.

Jetzt mitsingen! Gesangserlebnis für die eigenen vier Wände

Nachfolgend finden Sie Übungen, die Ihnen dabei helfen, sich zu Hause für das Singen aufzuwärmen. Als besonderes Extra können Sie sich anschließend gemeinsam mit Dr. Anette Einzmann, Chorleiterin bei Pneumissimo e. V. und Atem- und Gesangspädagogin, und Ian Alexander Griffiths, musikalische Begleitung bei Pneumissimo e. V. und Jazzgitarrist, einsingen, bevor Sie Ihre liebsten Gute-Laune-Lieder zum Besten geben oder gemeinsam drei der liebsten Lieder des Chores ganz einfach mitsingen.

 

Wir wünschen Ihnen viel Spaß!

Gute-Laune-Lieder zum Mitsingen

Ob im Auto, in der Küche oder vielleicht sogar unter der Dusche – für das Nachsingen der liebsten Gute-Laune-Lieder gibt es keine Einschränkungen. Im Rahmen eines Gesangs- und Atemtrainings zu Hause sollte bei der Liederwahl jedoch auf wenige Aspekte geachtet werden:

  • Suchen Sie Lieder aus, deren Phrasen nicht zu lang sind, damit ausreichend Zeit für Pausen zum Einströmen der Atemluft bleibt.
  • Die Stimmlage des Liedes sollte weitgehend der eigenen Stimme entsprechen, damit das Singen nicht zu anstrengend wird. Dennoch ist es zugleich wichtig, dass beim Singen auch immer wieder Aufschwünge und höhere Zieltöne abverlangt werden, damit sowohl Brust- als auch Zwerchfellatmung aktiviert werden und es zu einem Ausgleich der hohen und tiefen Lagen einer Stimme kommt.
  • Und natürlich müssen Lieder gefallen und Spaß machen!   

Inspiration gefällig? Zusammen mit Pneumissimo e. V. haben wir Ihnen eine Auswahl der liebsten Lieder des Chors zusammengestellt. Laden Sie sich einfach die Liedkarten herunter und singen Sie in musikalischer Begleitung zusammen mit Dr. Anette Einzmann und Ian Alexander Griffiths – und vielleicht sogar auch mit Ihrem Partner und/oder Ihrem Enkelkind zu Hause mit.

Weitere Informationen

Über Pneumissimo e. V.

Pneumissimo e.V.

Seit April 2015 gibt es in Köln den Chor „Pneumissimo“ für Menschen, die an der Erkrankung COPD oder anderen Einschränkungen der Lungenfunktion leiden. „Pneumissimo“ bedeutet im übertragenen Sinn etwa „so viel Luft wie möglich“, doch der Chor gibt seinen Mitgliedern noch weit mehr. Auch der Geist wird angeregt, gilt es doch die Liedtexte, die Einsätze und die verschiedenen Stimmen zu lernen und sich mit den anderen Sängern und Sängerinnen zu verständigen. Nicht zuletzt bietet der Chor aber auch die Chance für die Gemeinschaft und den Austausch mit anderen, die viele COPD-Patienten*innen vermissen. 

Wie erfolgreich das Konzept von „Pneumissimo“ ist, zeigt sich daran, dass bereits 2017 in Troisdorf eine zweite Singgruppe gegründet werden konnte, die heute ebenfalls über 15-20 Mitglieder umfasst. In aller Regel treffen sich die Chormitglieder einmal wöchentlich zu den eineinhalbstündigen Chorproben, die von Dr. Anette Einzmann und Ian Alexander Griffiths geleitet werden. Dabei kommt es in erster Linie nicht auf Perfektion an, sondern auf die Freude, die das Singen bereitet. Dennoch ist das Ergebnis überraschend gut, so die Meinung von Kritik und Publikum. Denn der Chor dient keineswegs nur zum Selbstzweck, sondern er gibt jedes Jahr auch eine Reihe von Konzerten, etwa auf klinikinternen Weihnachtsfeiern, COPD-Patiententagen oder zu pneumologischen Kongressen. Im Übrigen: Der Chor freut sich stets über neue Sänger und Sängerinnen!

Mehr Informationen zu Pneumissimo e. V. 

Chorstimmen – So fühlt sich das Singen bei COPD an 

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Fußnoten

Lewis A, et al. Singing for Lung Health—a systematic review of the literature and consensus statement. NPJ Prim Care Respir Med. 2016; 26: 16080.

Lord VM, et al. Singing classes for chronic obstructive pulmonary disease: a randomized controlled trial. BMC Pulm Med. 2012; 12: 69.

Middendorf I. Der erfahrbare Atem: Eine Atemlehre. Paderborn: Junfermann Verlag 1985.