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Interview mit Regina Ritter

Die Chemikantin aus dem Endstufenbetrieb für pharmazeutische Wirkstoffe gibt Einblicke in ihre Arbeit.

Regina Ritter

 

Regina Ritter hat ihre Ausbildung schon hier gemacht und hat inzwischen die Weiterbildung zur Industriemeisterin Fachrichtung Chemie abgeschlossen. Sie stellt Endstufen her und gibt hier Einblicke in ihren Alltag bei Boehringer Ingelheim. Unter anderem erzählt sie, wie es für sie ist, in einer Männerdomäne zu arbeiten.

 

„Es ist schön, in einer großen, gut laufenden Firma zu arbeiten, das eröffnet viele Möglichkeiten.“

 

Frau Ritter, wieso sind Sie ausgerechnet Chemikantin geworden?

Ich hatte schon immer einen Bezug zu Arzneimitteln – meine Mutter ist Apothekerin. Über verschiedene Praktika habe ich in ein paar Berufe hineingeschnuppert, dann war klar: Es wird die Chemikantin. Ich wollte so richtig Chemie. Pharmakantin, Chemielaborantin – das war nichts für mich.

 

Chemielaborantin wäre Ihnen nicht genug Chemie gewesen?

Jein. Da macht man alles im kleinen Maßstab, was wir im Großen machen. Wir stellen die Wirkstoffe in großen Mengen her, die Laboranten prüfen die Stoffe.

 

Was fasziniert Sie so an Chemie?

Man setzt ein Produkt ein und je nachdem, was man damit tut, kommt etwas komplett Neues heraus – aufheizen, destillieren, kristallisieren usw. Und jede Synthese ist natürlich unterschiedlich, man muss sich überall reinfuchsen. Tiotropiumbromid finde ich zum Beispiel besonders interessant. Es ist unser teuerstes Produkt und wir produzieren nur wenige Kilo im Jahr, was aber extrem aufwändig ist. Es ist ein Wirkstoff gegen die Lungenkrankheit COPD und wir sind die Einzigen weltweit, die ihn herstellen.

 

Bedeutet es Ihnen etwas, dass Sie Wirkstoffe herstellen, die Menschen helfen?

Ich bin stolz darauf, dass Menschen weltweit von unserer Arbeit profitieren.

 

Ist die Arbeit eigentlich körperlich anstrengend?

Beim Heben unterstützen uns Maschinen und Kräne. Wir haben vollautomatisierte Prozesse, aber auch halbautomatisierte – da braucht man schon Kraft. Mit Büroarbeit ist das nicht vergleichbar. Wobei Büroarbeit auch denkbar gewesen wäre für mich, aber nur in Kombi mit Bewegung.

 

Regina Ritter

 

Was empfinden Sie als besonders herausfordernd bei Ihrer Arbeit?

Unsere Prozesse werden nach Rezept gefahren. Sobald man aber in den Prozess eingreifen muss, wird es kompliziert – man geht aus der Komfortzone heraus und ist voll verantwortlich. Zum Beispiel, wenn man den pH-Wert einstellt oder die Gasdosierung. Da ist Erfahrung gefragt. Teilweise muss man drei Abläufe gleichzeitig im Auge behalten und reagieren, vielleicht irgendwo gegensteuern, heizen, kühlen … manchmal alles gleichzeitig!

 

Als Sie zu Boehringer Ingelheim kamen – hat Sie etwas überrascht?

Die Sauberkeit. Die überrascht jeden, der hier reinschaut. Natürlich ist die Pharma immer sehr sauber, aber bei uns ist es extrem clean und auch geruchsneutral.

 

Sie arbeiten in einem klassischen Männerberuf. Wie ist das für Sie?

Das hat keine Auswirkungen auf meine Arbeit. Die Tätigkeit macht mir Spaß, deswegen bin ich hier. An einige Wirkstoffe darf ich hier nicht ran, weil sie fruchtschädigend sind. Gesetzlich wäre es möglich, aber Boehringer Ingelheim geht lieber auf Nummer sicher. 


Abgesehen davon habe ich das Gefühl, dass die Stimmung entspannter ist, wenn Frauen mit auf der Schicht sind. Es geht weniger ruppig zu, das Team arbeitet noch harmonischer zusammen. Das bestätigen alle – die Kolleginnen, die Kollegen, die Schichtführer und Chefs. Wir haben hier das beste Team, das ich kenne. 


Und für Frauen, die sich bzgl. Arbeiten in einer Männerdomäne unsicher sind: Man wächst in die Rolle hinein. Am Anfang war ich zurückhaltender, vielleicht auch, weil ich meine Ausbildung hier gemacht habe und dann immer noch als Azubi wahrgenommen wurde. Aber das habe ich abgelegt. Ich sage meine Meinung sehr deutlich, wenn nötig und kann mich gut durchsetzen.
 

Regina Ritter

 

Wie ist die Schichtarbeit für Sie?

Ich habe mein Leben daran angepasst; inzwischen hat sich auch mein Körper daran gewöhnt, und mein soziales Umfeld ebenfalls. Das Gute ist: Ich weiß ein Jahr im Voraus, wann ich arbeite. Entsprechend plane ich – auch meine freien Tage. Wenn Winzerfest ist, nehme ich mir zum Beispiel frei. Und bei wichtigen Anlässen bekommen wir auch mal von einem Tag auf den anderen Urlaub.

 

Wie nehmen Sie das Team wahr?

Wir gehen sehr offen miteinander um. Offen und klar. Das ist viel wert, gerade weil wir so viel Zeit miteinander verbringen. Jeder unterstützt jeden, da muss man nicht lange bitten. Es funktioniert einfach. Wir lachen viel und sind auch privat miteinander befreundet. Nach der Spätschicht gehen wir manchmal zusammen bowlen, ins Kino oder auf den Weihnachtsmarkt.

 

Oder wir treffen uns vor der Spätschicht und gehen gemeinsam in die Kantine, die eher ein Restaurant ist. Dafür kommen wir sogar eine Stunde früher.

 

Gibt es manchmal Zeitdruck?

Wenn ein Produkt geschleudert werden muss, haben wir keinen Zeitpuffer, es muss JETZT sein. Aber im Sinne von hektisch und schnell schnell – das kommt hier nicht vor. Qualität geht immer über Quantität.

 

Warum sollte man als Chemikant zu Boehringer Ingelheim kommen?

Wir haben hier beste Arbeitsvoraussetzungen. Wir machen Pharma, nicht Rohöl, alles ist piccobello. Und man wird sehr unterstützt, wenn man sich weiterentwickeln will. Ich habe mich zum Beispiel gerade zur Chemiemeisterin weitergebildet. Die Firma hat einen Teil der Ausbildung bezahlt und mich auch für Schule und Lernen freigestellt. 


Es ist schön, in einer großen, gut laufenden Firma zu arbeiten, das eröffnet viele Möglichkeiten. Wir haben so viele verschiedene Betriebe auf dem Gelände, da kann man auch mal rechts und links schauen und Verschiedenes ausprobieren. 


Frau Ritter, vielen Dank für das offene Gespräch.

 

 

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