Die Kraft von Partnerschaften: Warum Innovation in der Krebsforschung von Diversität lebt

„Wie groß ein Unternehmen ist, ist völlig unerheblich. Wir glauben, dass jeder von dem Wissen und Know-how des anderen profitieren kann – so auch ein großes Unternehmen, wie Boehringer Ingelheim, von einem kleinen wie uns. Sich ergänzende Fähigkeiten sind das Geheimnis einer erfolgreichen Partnerschaft“, sagt Dr. Patrik Erlmann, Forschungsleiter bei ViraTherapeutics. Was im Jahr 2013 als kleine Spin-Out-Firma der Medizinischen Universität Innsbruck begann, ist nun eine eigenständige Einheit in der Forschungsorganisation von Boehringer Ingelheim.

ViraTherapeutics wurde von Prof. Dr. Dorothee von Laer, der Leiterin des Instituts für Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, gegründet. Sie ist die Erfinderin der VSV-GP-Technologie (Vesicular Stomatitis Virus Glycoprotein), dem Herzstück von ViraTherapeutics. Das Potenzial von sogenannten onkolytischen Viren für die Krebstherapie wurde bereits vor über hundert Jahren erkannt. Trotzdem wurde bis heute nur ein einziger therapeutischer Virus zugelassen.

Eine tragende Säule der Immunonkologie-Strategie

Boehringer Ingelheim hatte schon länger Interesse an onkolytischen Viren und der damit verbundenen Möglichkeit, kalte Tumore in heiße Tumore zu überführen. Dieser Ansatz schien den Experten sehr vielversprechend und unterstützte die Immunonkologie-Strategie des Unternehmens. Dr. Eric Borges, Vice President im Bereich Immunonkologie und Immunmodulation, erklärt, wie es dazu kam: „Wir haben nach Ansätzen gesucht, wie wir den Tumor „aufheizen“ können. Viren können das naturgemäß, weil sie sehr immunogen sind und Entzündungen auslösen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns darauf konzentriert, onkolytische Viren in den Tumor zu injizieren. Wir wollten aber noch einen Schritt weiter gehen und herausfinden, ob wir die onkolytischen Viren auch systemisch einsetzen und so neben dem Primärtumor auch die Metastasen angreifen können.“

Das Timing war perfekt. Im Jahr 2015 suchte der Boehringer Ingelheim Venture Fund nach Investitionsmöglichkeiten, um den Bereich der Immunonkologie auszubauen. Zum selben Zeitpunkt war ViraTherapeutics auf der Suche nach Investoren, die sie dabei unterstützen, die VSV-GP- Technologie in die klinische Entwicklung zu bringen.

Dr. Eric Borges, Vice President, Cancer Immunolgy & Immune Modulation, Boehringer Ingelheim

Von der Investition bis hin zur Übernahme

Erste vielversprechende Ergebnisse stärkten das Vertrauen von Boehringer Ingelheim in die neue Technologie. Im Jahr 2016 startete man eine gemeinsame Forschungskooperation, um die innovative onkolytische Virus-Technologie gemeinsam zu entwickeln.

Dr. Lisa Egerer, Chief Operating Officer von ViraTherapeutics, denkt daran zurück, wie die damalige Beziehung zum Venture Fund den Weg für die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Boehringer Ingelheim geebnet hat: „Der Venture Fund hat uns wichtige Türen geöffnet. Für ein kleines Biotech-Unternehmen mit wenigen Mitarbeitenden wie uns, ist es nicht einfach, Zugang zu großen Pharmaunternehmen zu bekommen und die Leute kennenzulernen, die an einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit interessiert sind. Es ist immer von Vorteil, wenn man sich bereits kennt. Daher war der Einstieg über unsere Kontakte zum Venture Fund ideal.“

Dr. Lisa Egerer, Chief Operating Officer, ViraTherapeutic

Es kristallisierte sich schnell heraus, dass die Unternehmen in den Bereichen Technologie, Biologie und Arzneimittelentwicklung eine sehr gute gemeinsame Basis haben, bei der beide vom Wissen und Know-how des anderen profitieren konnte. „Die Zusammenarbeit war von Anfang an geprägt von beidseitiger wissenschaftlicher Neugier“, erläutert Eric Borges. „ViraTherapeutics hat die Expertise in der Technologie. Sie wissen, wie man das Virus manipuliert, verändert, testet und herstellt. Wir haben das Know-how in der Medikamentenentwicklung.“ Patrik Erlmann stimmt dem zu: „Sowohl wir als auch das Produkt haben von der Partnerschaft profitiert. Von Beginn an haben wir mit Menschen zusammengearbeitet, die ein unheimliches wissenschaftliches Interesse mitbrachten und die sich mit dem Übergang in die klinische Entwicklung hervorragend auskannten.“ Im Jahr 2018, kurz vor Eintritt in Phase-I der klinischen Entwicklung, wurde ViraTherapeutics ein Teil von Boehringer Ingelheim.

Wissenschaftliche Herausforderungen gemeinsam meistern

Trotz des gebündelten Know-hows ist man vor aufkommenden Hindernissen nicht gefeit.  Jedes Unternehmen hat seine eigene Philosophie, wie man mit solchen Hürden umgeht und Lösungen erarbeitet. Biotech-Unternehmen sind in der Regel sehr agil und haben eine kleine Anzahl an Projekten, die so schnell wie möglich in die klinische Entwicklung überführt werden sollen. Große Pharmaunternehmen haben hingegen ein sehr breites Portfolio. Interne Prioritäten müssen zunächst abgewogen und festgelegte Prozesse mit unterschiedlichen Entscheidungsebenen durchlaufen werden. Wie haben die Partner nun aufkommende Hürden gemeistert? Lisa Egerer beschreibt die Situation wie folgt: „Es sind zwei Welten, die aufeinanderprallen! Dennoch haben wir es geschafft, unsere Erfahrungsschätze zu nutzen und so gemeinsame Lösungen zu finden, um weiter voranzukommen.“ So unterschiedlich die Unternehmenskultur und auch die Denkweise beider Unternehmen sind, für Eric Borges ist gerade diese Diversität besonders wertvoll und hat zu wichtigen Erfolgen geführt. „Es ist erstaunlich! Wir betrachten die Technologie aus völlig unterschiedlichen Perspektiven. Wenn man aber zusammenarbeitet und sich mit Hürden konfrontiert sieht, entsteht dieser Kampfgeist und Wille gemeinsam das Beste für den Patienten herauszuholen.“

Die Patienten stehen an erster Stelle

Bei Boehringer Ingelheim stehen Patienten und ihre Bedürfnisse bei allen Forschungsunternehmungen an erster Stelle. Zudem will Boehringer Ingelheim neue wissenschaftliche Erkenntnisse so schnell wie möglich weiterentwickeln. Patrik Erlmann ist davon überzeugt, dass dieses Vorhaben geglückt ist: „Es war eine wirkliche Team-Arbeit! Indem wir gemeinsam daran gearbeitet haben, sind wir bei der Entwicklung von Kandidaten viel schneller vorangekommen, als wir es ohne Boehringer Ingelheim hätten leisten können.“

Beide Unternehmen freuen sich darüber, dass VSV-GP nun erstmals am Patienten erprobt wir. Zusätzlich werden auch weitere Möglichkeiten für Kombinationstherapien mit Checkpoint-Inhibitoren und dem Krebsimpfstoff KISIMA® von AMAL Therapeutics* untersucht. „Das ist der eigentliche Grund, warum die Übernahme von ViraTherapeutics so wichtig war“, sagt Eric Borges. „Manchmal kann ein Unternehmen einen Wirkstoff erwerben und ohne den Partner in die klinische Entwicklung überführen. In diesem Fall hatten wir jedoch die Möglichkeit, unsere Ideen mit den Experten von ViraTherapeutics zu teilen, um das Potenzial dieser Technologie gemeinsam zu maximieren und ein entsprechendes Portfolio zu erarbeiten. Die Innovationskraft, die durch die Zusammenarbeit von so vielen unterschiedlichen Menschen entsteht, ist gewaltig. Wir sind davon überzeugt, dass gerade dies einen echten Nutzen für den Patienten bringen kann.“

Patrik Erlmann, Head of Research, ViraTherapeutics

Fußnoten

*AMAL Therapeutics wurde im Jahr 2019 Teil von Boehringer Ingelheim.