„Das Vertrauen ist nach dem Unfall noch gewachsen“
Verletzt sich ein Rettungshund, muss er umfassend medizinisch versorgt werden, um schnell wieder einsatzfähig zu sein. Der Fonds für verletzte und erkrankte Rettungshunde, der 2019 vom Bundesverband Rettungshunde e.V. (BRH) und Boehringer Ingelheim gegründet wurde, kann hierbei helfen. Mithilfe des Fonds konnten bereits mehr als 50 Hunde unterstützt werden. Doch was passiert eigentlich genau, wenn sich ein Rettungshund verletzt? Erfahren Sie mehr über die Geschichten von Emmy, einer Labrador-Deutschkurzhaar-Mix Hündin, und Ida, einer Labrador-Retriever Hündin.
Emmy ist 8 Jahre alt und eine von mehr als 600 geprüften Rettungshunden des Bundesverbandes Rettungshunde e.V. Das quirlige Labrador-Deutschkurzhaar-Mix Weibchen und ihre Halterin Nicole Schüring sind seit 2015 im BRH in der Rettungshundestaffel Warendorf-Hamm tätig. Es ist ein später Nachmittag im Januar 2020, als sie zu einem Einsatz gerufen werden: Die Suche nach einer vermissten Person in einem an einem See gelegenen Gebiet, da dort Spuren der Polizei gesichert wurden. Gemeinsam mit einem Suchtrupphelfer machen sich Hündin und Halterin auf den Weg zum Suchgebiet. Der Weg ist beschwerlich und im Dämmerlicht nur schwer zu erkennen, als sie einen Abschnitt erreichen, an dem sie definitiv nicht mehr weiterkommen. Ein Abgrund von etwa 20 Metern versperrt den Weg. Doch Emmy zeigt sich an der Spurstelle auffällig. In einer Reihe unglücklicher Zufälle, in der sich die Leine verfängt und Schüring die Hündin kurz losmacht, um das Problem zu lösen, nutzt Emmy diese Gelegenheit, um zu der Stelle, an der sie Witterung aufgenommen hatte, zurück zu rennen und der Spur nachzugehen. Was dann passiert, beschreibt Schüring, gleicht der Szene aus einem Film. Plötzlich rutscht der Boden unter Emmy weg und die Hündin fällt in die Tiefe. Zu hören sind ein Platschen und dann Stille. Schüring und ihr Kollege machen sich auf dem schnellsten Weg zur abgestützten Hündin, was allerdings nicht so einfach ist, schließlich liegt zwischen ihnen und Emmy ein Abgrund von rund 20 Metern. Als sie endlich das Wasser erreichen, in das Emmy gefallen ist, hören und sehen sie im ersten Moment nichts. Schüring glaubt für einen schreckhaften Moment, ihre Hündin verloren zu haben, als sie Emmy im Wasser schwimmend erblickt. Die Hündin scheint an diesem Abend einen großen Schutzengel gehabt zu haben. Sie zeigt keine äußerlichen Verletzungen auf und möchte sogar weitersuchen. Nur ins Wasser möchte sie nicht mehr, was in Anbetracht der Situation verständlich ist. Schüring bringt ihre Hündin unmittelbar nach Ende des Einsatzes zur Sicherheit in die Tierarztpraxis, um sie dort untersuchen zu lassen. Emmy wird geröntgt, es wird ein Ultraschall und Blutbild gemacht. Doch die Hündin ist bis auf eine Verstauchung der linken Pfote und leichte Prellungen glücklicherweise nicht schlimmer verletzt.
Nicole Schüring und ihre 8-jährige Hündin Emmy
Unfälle können überall passieren
Dass eine Verletzung nicht nur während des Einsatzes geschehen kann, zeigt der Fall von Ida. Ida ist eine Labrador-Retriever Hündin, 3 Jahre alt und gehört zu Yvonne Haupt. Haupt ist seit mehr als 20 Jahren BRH-Mitglied und aktuell Ausbilderin in der Rettungshundestaffel Rhein-Lahn-Taunus. Ida ist bereits ihr 4. Rettungshund. Ida hat sich nicht wie Emmy während eines Einsatzes verletzt, sondern nach dem Ende eines Trainings im Oktober 2019, noch vor dem Abschluss ihrer Ausbildung als Rettungshündin. Gemeinsam mit einigen anderen Hundeführer*innen hat Haupt gerade ein normales Flächentraining im Wald beendet, als die Gruppe die Hunde nochmal kurz frei rennen lassen. Haupt will Ida gerade rufen, um ihr ein Leucht-Halsband anzulegen, als die Hündin nach nur einigen Sekunden im Wald plötzlich zurückrennt und laut aufjault.
Ida kollabiert, es ist klar, dass sie Schmerzen hat, es sind allerdings keine äußerliche Verletzungen zu erkennen. Sofort wenden Haupt und ihre Kolleg*innen Erste Hilfe an, und bringen die Hündin in die Tierklinik. Dort zeigt sich, dass Ida an einer inneren Blutung im Brustkorb leidet, die höchstwahrscheinlich durch eine stumpfe Verletzung hervorgerufen wurde. Da die Herkunft des Blutungsherdes nicht eindeutig bestimmt werden kann, kann zu diesem Zeitpunkt nicht viel unternommen werden. Die einzige Lösung ist es, Ida das Blut, das sie verliert, wieder zuzuführen. Die Hündin ist mehrere Tage in der Intensivpflege der Klinik. Haupt wird in dieser Zeit von der Klinik angerufen und es wird ihr mitgeteilt, dass sie nicht wissen, ob Ida es schaffen wird. Die rettende Handlung kommt schließlich durch eine Blutspende des Vaters von Ida, durch welche die Blutung letztlich gestoppt werden kann. Einige Tage nach der Verletzung wird Ida aus der Tierklinik entlassen und gilt als gesund. Überglücklich sind Hündin und Hundeführerin über das Wiedersehen. Nur einige Wochen später können beide gemeinsam die Hauptprüfung der Ausbildung absolvieren und Ida ist seitdem geprüfte und einsatzfähige Rettungshündin.
Yvonne Haupt und ihre 3-jährige Hündin Ida
Eine Entlastung für alle Beteiligten
Ein Großteil der Kosten der medizinischen Versorgung von Emmy und Ida konnte durch den Fonds für verletzte und erkrankte Rettungshunde übernommen werden. Der Fonds erstattet die Kosten, die nicht bereits über Unfallkassen und Versicherungen abgedeckt sind, und entlastet so die Hundeführer*innen. „Es ist auf jeden Fall eine Erleichterung zu wissen, dass es diesen Fonds gibt und man im Ernstfall darauf zurückgreifen kann“, beschreibt es Schüring. „Man würde sowieso alles für diesen Hund tun, das steht außer Frage. Aber ich musste mir gar keine Sorgen machen, wie wir die finanziellen Kosten decken und konnte mich wirklich einzig darauf konzentrieren, dass der Hund gesund wird“, ergänzt Haupt.
Haupt und Ida während eines Trainings. Die Hündin ist seit Ende 2019 geprüfte und einsatzfähige Rettungshündin.
Die Arbeit beim BRH - Ein Ehrenamt, das Spaß macht
Die Arbeit beim BRH ist wahrlich keine einfache. Mit mehreren Einsätzen pro Monat, vielen davon in den dunkeln Monaten am Abend oder in der Nacht, mehrstündigen Trainings in verschiedenen Gebieten mehrmals die Woche und einer großen Einsatzüberprüfung einmal im Jahr haben die Hunde und Hundeführer*innen immer viel zu tun. „Manchmal, vor allem wenn eine neue Prüfung ansteht, frage ich mich schon, warum mache ich das eigentlich?“, erzählt Haupt lachend. Aber ernsthaft darüber nachgedacht aufzuhören, das habe sie noch nie. Auch Schüring schätzt die Arbeit im BRH sehr. Der treibende Faktor sei natürlich der Hund, solange dieser die Arbeit gut und gerne mache, solange gebe es keinen Grund die Arbeit zu beenden. Dass Schüring zum BRH gekommen ist, liegt übrigens auch an Emmy. Die Hündin kommt aus dem Tierschutz und es wurde damals gesagt, sie würde einen guten Rettungshund abgegeben. Umso schöner ist es für Schüring, bei Trainings, Prüfungen und Einsätzen zu sehen, dass Emmy wirklich ein guter Rettungshund ist. Aktuell haben Schüring und ihr Mann, der ebenfalls im BRH als Zugführer aktiv ist, auch einen 8 Monate alten Junghund in der Ausbildung des BRH. Auch für Haupt ist die Arbeit im BRH Familiensache. Ihr Mann ist ebenfalls aktives BRH-Mitglied und beide besitzen neben Ida noch eine 7-jährige Rettungshündin.
Schüring und Emmy während eines Einsatztrainings. Beide sind seit 2015 im BRH tätig.
Gegenseitiges Vertrauen zwischen Hund und Mensch
Wie geht es Emmy und Ida heute? Beide haben sich von ihren Unfällen glücklicherweise gut erholt und haben weiterhin viel Spaß an der Arbeit im BRH. Die Unfälle hätten eher das Gegenteil hervorgerufen, berichten die beiden Hundeführerinnen. Die Zusammenarbeit sei in Folge des Unfalls noch besser geworden. „Das Vertrauen zwischen Mensch und Hund, das ist da. Es ist nach dem Unfall sogar noch gewachsen“, erzählt Schüring. Dieses Vertrauen bräuchten die Hunde auch, um gute Arbeit zu leisten. Haupt geht es ähnlich. „Das Schöne ist die Zusammenarbeit, die durch das, was passiert ist, vielleicht noch besser geworden ist.“, sagt sie und fügt hinzu: „Jeder Tag ist ein Geschenk und ich freue mich, dass ich mit diesem Hund zusammenarbeiten darf.“
Über die Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit zwischen der Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH und dem BRH Bundesverband Rettungshunde e.V. startete 2019 mit der Gründung des Fonds für verletzte und erkrankte Rettungshunde. Im ersten Jahr belief sich das Sponsoring auf 15.000 Euro, 2020 und 2021 folgten jeweils 10.000 Euro. Mithilfe der finanziellen Mittel des Fonds konnten bereits mehr als 50 Hunde medizinisch versorgt werden. Der Fonds erstattet die Kosten, die nicht bereits über Unfallkassen und Versicherungen abgedeckt sind, und kann so die Hundeführer*innen entlasten. Ziel ist es, die Zusammenarbeit auch zukünftig fortzuführen, um die medizinische Versorgung der Rettungshunde zu gewährleisten.
Über den BRH
Der Bundesverband Rettungshunde e.V. stellt mit seinen derzeit mehr als 2.000 aktiven Mitgliedern, 89 Rettungshundestaffeln sowie rund 630 geprüften Rettungshunden und weiteren 1.200 Hunden in Ausbildung die größte Organisation für Rettungshunde in Deutschland dar. Gegründet im Jahr 1976, zählen die Entwicklung und kontinuierliche Verbesserung der gemeinsamen Ausbildungs- und Einsatzrichtlinien zu den primären Aufgaben des Vereins. Im Jahr 2021 absolvierte der BRH bisher mehrere hundert Einsätze, darunter auch Einsätze im Rahmen der Flutkatastrophe im Juli in Rheinland-Pfalz und Nordrheinwestfalen. Zu den Kernkompetenzen des BRH gehören neben der Suche nach vermissten oder verschütteten Personen unter anderem auch die humanitäre Hilfe in Katastrophengebieten.