„Mein Ziel ist es Krebs zu heilen“ 

Norbert Kraut, unser Global Head of Cancer Research, gibt interessante Einblicke in die Forschungsaktivitäten und zeigt auf, welche Ansätze wir verfolgen, um neue Therapieoptionen für Menschen mit Krebs zu entwickeln.

Ein neues Medikament zu entwickeln ist extrem anspruchsvoll, besonders in der Onkologie. Wer in diesem herausfordernden Gebiet erfolgreich sein möchte, muss nicht nur leidenschaftlich und resilient sein, sondern auch Mut und Risikobereitschaft an den Tag legen und bei Rückschlägen optimistisch bleiben. Das alles trifft auf Norbert Kraut zu, dessen unermüdliche Anstrengungen einige der am weitesten fortgeschrittenen Assets von Boehringer Ingelheim in der Onkologie hervorgebracht haben.

Norbert Kraut widmet sich seit über zwei Jahrzehnten der Krebsforschung bei Boehringer Ingelheim. Von Wien aus treibt er mit seinem Team die Erforschung neuer Therapien für Menschen mit schwer zu behandelnden Krebsarten voran. Schon bevor er im Jahr 2014 die Zügel als Global Head of Cancer Research übernahm, verfolgte er dabei besonders ambitionierte Ziele.  

„Wir befassen uns mit den bedeutendsten, aber auch herausforderndsten Krebstreibern: Jenen, die bereits medikamentös behandelt werden, bei denen aber Verbesserungen in puncto Potenz und Selektivität begrüßenswert wären, und jenen, auf die noch nicht mit Medikamenten abgezielt wurde. Wir erforschen aber auch völlig neue Targets in Bereichen mit hohen ungedeckten Patientenbedürfnissen“, so Norbert Kraut.

Seine Drug Discovery-Programme befassen sich unter anderem mit Veränderungen in den p53-, HER2- und KRAS-Signalwegen, die für über die Hälfte aller Krebsarten verantwortlich sind 1–4.  

„Die p53- und HER2-Signalwege mit neuen chemischen Molekülen anzugehen, bringt zwar jede Menge Herausforderungen mit sich, birgt aber auch große Möglichkeiten. In der Hoffnung Therapiedurchbrüche für Patienten zu erzielen, haben wir alles versucht und unsere Messlatte entsprechend hochgelegt.“  

Auch mit KRAS – dem heiligen Gral der Arzneimittelforschung – wurde kein einfacher Weg eingeschlagen. Wissenschaftler versuchen seit rund vier Jahrzehnten, den „Mount Everest der Onkogene“ zu bezwingen.2  

„Unser langfristiges Engagement für die Bedürfnisse von Patienten treibt uns stetig an, auch noch so unmöglich erscheinende wissenschaftliche Herausforderungen auf jede nur erdenkliche Weise in den Fokus zu nehmen. Allerdings kommt man bei solchen Mammutaufgaben in der Regel alleine nicht weit – für den Erfolg bedarf es vieler kluger Köpfe.“  

Um eine große Spannbreite von KRAS-Mutationen abzudecken, arbeitet Norbert Kraut mit Piro Litos Labor im Memorial Sloan Kettering Cancer Center zusammen. Die jüngste Publikation in Nature mit der Gruppe um Piro ist möglicherweise ein Wegbereiter, den bisher unerfüllten Bedarf von Menschen mit KRAS-getriebenem Krebs anzugehen.5

Herr Kraut, welche Fortschritte beobachten Sie bei den Ansätzen für die Erforschung neuer Ziele und Behandlungen in der Onkologie? 

Die Präzisionsmedizin ist mittlerweile ein Schlüsselelement unserer Strategie. Wir müssen sowohl die Biologie und Genetik von Tumoren umfassend verstehen als auch neueste Innovationen in der Wirkstoffforschung und Datenanalyse klug nutzen, um neue, noch bessere Wege im Kampf gegen den Krebs finden zu können.  

Wir haben unsere Fähigkeiten bei der Erhebung, Verfügbarmachung und Analyse der Daten von großangelegten funktionalen Screenings bei Krebsmodellen sowie von Patienten durch Biobanken, klinische Daten und Partnerschaften maßgeblich verbessert. Durch neuartige computergestützte Auswertungen dieser Datensätze können wir Krebstreiber und weitere Abhängigkeiten von Krebszellen detailliert erfassen. Wir können außerdem Biomarker identifizieren, die uns dabei helfen, aussagekräftige Hypothesen dazu aufzustellen, welche Patientenpopulationen am meisten von unseren Präparaten profitieren würden. So erhöhen wir nicht nur die Erfolgschancen in der Klinik, sondern bieten auch Orientierung für die Ausweitung auf weitere Indikationen.  

Diese Biomarker können sich auch als hilfreich bei der Wahl der Dosis, dem Nachweis der Wirkmechanismen, der Suche nach möglichen Kombinationen und dem Monitoring von Resistenzmechanismen erweisen sowie als Informationsgrundlage für die nächsten Behandlungsgenerationen fungieren. 

Wir erforschen und investieren in mehrere neue Therapiemodalitäten sowie Technologieplattformen. Welchen Nutzen birgt dies für die Patienten? 

Wir gehen völlig unvoreingenommen an die jeweiligen Modalitäten heran. Zunächst einmal identifizieren wir den Bedarf der Patienten und nutzen dann die Biologie, um Einblicke zu erhalten, die unsere Entscheidungen bei den Modalitäten beeinflussen. Uns steht dabei eine ganze Reihe hochmoderner Therapiemodalitäten und -plattformen zur Verfügung, mit deren Hilfe wir Ziele und Krankheitsmechanismen angehen können, die durch herkömmliche Methoden bisher nicht angegangen werden konnten. Vor allem aber können wir mit noch mehr Präzision, Effizienz und Sicherheit gegen zentrale Krebstargets vorgehen und so letztendlich für Krebspatienten wirklich etwas bewirken. 

Außerdem machen es unsere Technologieplattformen möglich, Therapiekombinationen mit sich ergänzenden Ansätzen zu entwickeln. Das Ganze basiert auf unserem Wissen, dass Krebs eine komplexe, heterogene Krankheit ist bei der langfristige Therapieerfolge für die Patienten nur mit einem ganzheitlichen Ansatz erzielt werden können. 

Was war in all den Jahren Ihre Motivation? 

Nun, das ganz große Ziel lautet natürlich, Krebs zu heilen. Fast jeder von uns ist auf die ein oder andere Weise schon mit dieser Krankheit in Berührung gekommen. Das motiviert natürlich – das ist nicht nur irgendein Job, den man da ausübt. Es ist der Motor, der uns eint und dazu bringt, gemeinsam lebensverändernde wissenschaftliche Forschung entschlossen voranzubringen. 

Ich habe zuerst meinen Mentor und später auch meine Mutter sehr schnell durch Krebs verloren, was mir die Dringlichkeit dieser Arbeit grausam vor Augen geführt hat. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um Patienten schnellstmöglich bessere Behandlungsmöglichkeiten bieten zu können. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass alle Menschen Zugang zu diesen Innovationen erhalten.  

 

Referenzen 

  1. Wang, H., Guo, M., Wei, H. & Chen, Y. Targeting p53 pathways: mechanisms, structures, and advances in therapy. Signal Transduct. Target. Ther. 8, 1–35 (2023). 
  2. Hofmann, M. H., Gerlach, D., Misale, S., Petronczki, M. & Kraut, N. Expanding the Reach of Precision Oncology by Drugging All KRAS Mutants. Cancer Discov. 12, 924–937 (2022).
  3. Wilding, B. et al. Discovery of potent and selective HER2 inhibitors with efficacy against HER2 exon 20 insertion-driven tumors, which preserve wild-type EGFR signaling. Nat. Cancer 3, 821–836 (2022). 
  4. Lorusso, P. et al. The MDM2–p53 Antagonist Brigimadlin (BI 907828) in Patients with Advanced or Metastatic Solid Tumors: Results of a Phase Ia, First-in-Human, Dose-Escalation Study. Cancer Discov. 13, 1802–1813 (2023). 
  5. Kim, D. et al. Pan-KRAS inhibitor disables oncogenic signalling and tumour growth. Nature 619, 160–166 (2023).