Jobsharing: Zwei Chefinnen, ein Team
Kind oder Karriere? Diese Frage bestimmte lange Zeit den beruflichen Werdegang von vielen Frauen, aber auch immer mehr Männern. Heute geben innovative Arbeitskonzepte neue Freiräume, um Job und Privates besser zu vereinen. Zum Beispiel: ein Führungstandem. Bei Boehringer Ingelheim teilen sich Daniela Klug und Anja Tontsch eine Rolle, ein Team und eine Überzeugung – mit Erfolg.
Der erste Kennenlern-Termin findet virtuell statt. Daniela Klug schaltet sich während einer Dienstreise aus Ridgefield zu, Anja Tontsch vom Forschungsstandort Biberach. Die große Frage direkt zum Einstieg: Führen zu zweit – geht das? Ein Blick auf die beiden Videokacheln auf dem Bildschirm, zwei aufgeschlossen, aber bestimmt wirkende Gesichter und eine Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Geht sehr gut“, sagen beide, „aber es ist kein Selbstläufer.“
Führungstandem kurz erklärt
Tontsch und Klug teilen sich eine Position und eine Überzeugung: Führung geht auch anders. Die Verantwortung für Mitarbeitende und die damit verbundenen Aufgaben sind teilbar. Es muss nicht immer der oder die eine Vorgesetzte sein, Entscheidungen müssen nicht immer im Alleingang gefällt werden. Heute arbeitet Tontsch 50 Prozent und Klug 80 Prozent, zusammen leiten sie ein 9-köpfiges Team im Bereich Translational Medicine & Clinical Pharmacology. Für die beiden Frauen ist es der erste Schritt in eine Führungsposition – zumindest im beruflichen Kontext. Abseits der Boehringer Ingelheim-Welt managen sie erfolgreich ihre Familien.
Führungskraft in Teilzeit: Rahmenbedingungen
Eine Führungsposition im Unternehmen zu teilen, bedeutet für den Einzelnen allerdings nicht weniger Arbeit oder weniger Führungstätigkeit. Teilen heißt hier: Verantwortung auf mehrere Schultern abzugeben. Es geht darum, offen und ehrlich zu kommunizieren, sich gut aufeinander abzustimmen und Aufgaben sinnvoll aufzuteilen. „Man darf kein Einzelkämpfer sein“, sagt Klug. Schließlich ginge es häufig darum, Kompromisse zu finden und „Themen gemeinsam durchzuboxen.“ Tontsch nickt. Und es brauche absolutes Vertrauen in die Arbeit des anderen. „Wir müssen uns der eigenen Stärken und Schwächen sehr bewusst sein und die des anderen gut kennen.“ Wie die andere tickt, wussten die beiden Frauen schon aus vorheriger gemeinsamer Arbeit. Tontsch die Strukturierte, Klug die Antreiberin. Für den Neustart im Tandem ist diese gegenseitige Ergänzung ein klarer Vorteil.
„Damit das Führen im Tandem funktioniert, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen“, ist Klug überzeugt. Es braucht klar umschriebene Aufgaben und Zuständigkeiten, nur so kann effizient gearbeitet werden. Doch wenn die Werke gut ineinandergreifen, Tandem, Team und Vorgesetzte gut abgestimmt sind, profitieren alle. Für Tontsch und Klug schließen sich Karriere und Familie nicht mehr aus. Beides ist möglich, beides zur gleichen Zeit. Das Unternehmen profitiert von zwei motivierten Köpfen mit doppelter Schlagkraft. Und das Team hat Vorbilder, die zeigen, dass Führung anders gestaltet werden kann.
Kind und Karriere
Bevor Tontsch und Klug zum nächsten Termin eilen, noch eine letzte Frage: Funktioniert das Konzept immer und überall? Leider nein, sind sich die beiden Frauen einig. Doch wenn die Rahmenbedingungen stimmen und ein Vertrauensverhältnis da ist, sei das Führungstandem ein sehr gutes Modell, „um Arbeit und Familie in Einklang zu bringen – ganz ohne die Karriere hintenanzustellen.“