Indien: Viele positive Entwicklungen für die Bevölkerung
Indien ist in diesem Jahr die bevölkerungsreichste Nation der Erde geworden. Obwohl das Land eine lange Geschichte hat, bleibt es lebendig und jung. Wie hat sich die indische Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten entwickelt, welche Bedarfe gibt es im Gesundheitswesen und wie kann Boehringer Ingelheim dazu beitragen, diese zu erfüllen? Das sind einige der Fragen, die wir Sandip Agrawal (Interims-Landesleiter von Boehringer Ingelheim Indien) gestellt haben.
Sandip, wie würden Sie Ihr Heimatland beschreiben?
Als jung und wachsend! Unser Durchschnittsalter beträgt 28,2 Jahre. Wir haben die meisten Absolventen mit einem Hintergrund in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT). Die Kaufkraft von über einer Milliarde Menschen hat unser Wirtschaftswachstum angetrieben: Was das volkswirtschaftliche Volumen angeht, liegen nur die USA, China, Japan und Deutschland heute vor Indien. Und der Anteil der indischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter an der Gesamtbevölkerung wird weiterhin wachsen und bis 2030 voraussichtlich rund 70 % erreichen.
Wie wird sich Indiens Rolle in der Welt in den nächsten Jahren verändern?
Unsere große Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kann in Indien und weltweit begabte Talente bereitstellen. Heute entfallen rund 50 % aller Technologie- und Dienstleistungszentren globaler Unternehmen weltweit auf mein Heimatland. Führende Pharmaunternehmen haben hier in Forschungs- und Entwicklungszentren sowie in globale Kompetenzzentren investiert, vor allem im Süden des Landes. Mit den meisten von der FDA zugelassenen Standorten außerhalb der USA sind auch die Produktionskapazitäten Indiens ein Wachstumstreiber.
Auf der anderen Seite finden derzeit nur 3% aller klinischen Studien hier statt, aber wir machen etwa 15 % der Patientinnen und Patienten aus, die mit hochprävalenten Erkrankungen wie Atemwegsinfektionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Gebärmutterhalskrebs leben. Wir sehen jedoch bereits eine positive Entwicklung in dieser Hinsicht: Seit der Überwindung früherer regulatorischer Hürden haben in Indien allein in den letzten drei Jahren rund zehnmal so viele klinische Studien stattgefunden wie zuvor.
Seit 2003 ist Boehringer Ingelheim in Indien, genauer gesagt in Mumbai, tätig. Wie hat sich das Land seitdem verändert?
Indien hat einen bemerkenswerten Wandel hinter sich. Das beträchtliche Wirtschaftswachstum führte zu einem deutlichen Rückgang der extremen Armut, der Lebensstandard hat sich gesamthaft verbessert. Initiativen wie Jan Dhan (Zugang zu Banken für alle), UPI (eine digitale Zahlungsschnittstelle) und Aadhar (eindeutige Identifikationsnummern) haben dazu beigetragen, die finanzielle Inklusion voranzutreiben. Darüber hinaus hat die indische Regierung erhebliche Anstrengungen unternommen, um ihren Bürgern eine universelle Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung zu bieten. Diese von der Regierung bereitgestellten grundlegenden Gesundheitsdienstleistungen sowie die Telemedizin, in Kombination mit einem wachsenden Start-up-Ökosystem im Bereich der Gesundheitstechnologie, haben den Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Inder signifikant verbessert.
Wie wirken sich diese gesellschaftlichen Entwicklungen auf unser Unternehmen aus?
Wir stehen im Einklang mit dem Fokus der Regierung auf nichtübertragbare Krankheiten, antimikrobielle Resistenzen sowie seltene Krankheiten und verfügen über das Produktportfolio, um die Gesundheitsbedürfnisse des Landes zu erfüllen. Unsere Patienteninitiativen wie Sahyog (Kooperation) und Ashwasan (Assurance) stärken Patienten durch persönliche Interaktionen, Beratung und Informationen zu Diabetes. Seit Boehringer Ingelheim vor 20 Jahren in den indischen Markt eingestiegen ist, konnten wir das Leben von 14 Millionen Patienten verändern, und es werden immer mehr. Auch der Nutztiermarkt ist mit 535 Millionen Nutztieren im Jahr 2019, technologischen Fortschritten und staatlicher Unterstützung signifikant gewachsen.
Indien ist ein äußerst vielfältiger föderaler Staat, wie zum Beispiel die 23 offiziell anerkannten Sprachen beweisen. Wie wirken sich die regionalen Unterschiede innerhalb des Landes auf den Pharmamarkt aus?
Indiens geografische und demografische Vielfalt in Bezug auf Kulturen, Sprachen und die Ernährung macht sich auch bei der Gesundheitsversorgung bemerkbar. Einige Gemeinschaften verfügen über gut etablierte Einrichtungen und einen einfachen Zugang zu Medikamenten, während andere mit der Infrastruktur und der Bereitstellung zu kämpfen haben. Indem wir regionale Unterschiede verstehen, angehen und die Patienten stärken, wollen wir die Gesundheitsversorgung überall verbessern.
Sehen Sie eine Veränderung des Gesundheitsbedarfs angesichts der Anforderungen einer jungen Nation?
Chronische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch. Eine aktuelle Studie ergab beispielsweise, dass 100 Millionen Inder mit Diabetes leben – das sind zweieinhalbmal so viele wie die Bevölkerung Kanadas. Weitere 136 Millionen Menschen sind Prädiabetiker, und auch andere kardiometabolische Erkrankungen wie ein hoher Bluthochdruck oder Cholesterinspiegel sowie Adipositas treten immer häufiger auf. Proaktive Behandlungen und maßgeschneiderte Initiativen zur Verbesserung der Vorsorge und des Managements chronischer Krankheiten sind dringend erforderlich. Unsere neuartigen Wirkstoffe und das Bewusstsein für eine umfassende kardiometabolische Versorgung können dazu beitragen, diese Schwierigkeiten zu überwinden.
Wo sehen Sie Indien und die Wirtschaft des Landes in 20 Jahren?
Indien hat einen dreifachen Vorteil: ein starkes Wirtschafts- und Pro-Kopf-Einkommenswachstum, ein stärker werdender Fokus der Regierung auf die Gesundheitsversorgung und eine wachsende Abdeckung durch Krankenversicherungen. Mit einem beschleunigten Tempo der Wirtschaftsreformen wird unsere Wirtschaft weiter stark wachsen, und wir haben die Chance, ein globales Powerhouse im Gesundheitswesen zu werden. Indiens "Pharma Vision 2047", die von der Regierung initiiert wurde, zielt darauf ab, unser Land als weltweit führend bei innovativen und qualitativ hochwertigen Arzneimitteln und Medizinprodukten zu positionieren, angetrieben durch Forschung und Entwicklung, Industriekooperationen und gute regulatorische Rahmenbedingungen. Durch diese umfassenden Maßnahmen und weitere Wirtschaftsreformen hat Indien das Potenzial, sich von der "Apotheke" der Welt zum "Labor" der Welt zu entwickeln.