Wirtschaftsstandort Deutschland: “Etwas ist in Bewegung”

Christoph Ruland, Leiter Human Pharma Deutschland, blickt zurück auf zwei Jahre GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und bewertet die aktuellen Entwicklungen rund um das Medizinforschungsgesetz. 

Christoph Ruland, Head of Human Pharma Germany, im Gespräch

„Als das Bundesgesundheitsministerium im Sommer 2022 das sogenannte Gesetzliche-Krankenversicherung (GKV)-Finanzstabilisierungsgesetz vorlegte, waren wir als Unternehmen enttäuscht. Heute, zwei Jahre später, haben wir Grund zur Zuversicht.

Der Blick zurück: GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

Das Gesetz in seiner ursprünglichen Fassung hatte zum Ziel, die finanziellen Lücken in den gesetzlichen Krankenkassen zu stopfen – und das zu einem großen Anteil zu Lasten der Pharmaindustrie. Was allen Maßnahmen gemein war: Sie erschwerten den Zutritt für neue Therapien auf den deutschen Markt und das mit negativen Auswirkungen auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten und den Wirtschaftsstandort Deutschland. 

Stand heute sind wir überzeugt: Es gibt noch immer viel zu tun, um die Rahmenbedingungen für Innovation und Forschung in Deutschland wieder attraktiv zu gestalten. Gleichzeitig sehen wir Entwicklungen, die uns optimistisch stimmen. Optimistisch, dass Fehler erkannt und korrigiert werden. 

Der Blick nach vorn: Pharmastrategie und Medizinforschungsgesetz

Ende des Jahres 2023 legte das Bundesministerium für Gesundheit schließlich eine neue Pharmastrategie inklusive des Medizinforschungsgesetzes (MFG) vor. Im MFG sehen wir viele Schritte in die richtige Richtung. So sollen die Rahmenbedingungen bei klinischen Studien verbessert werden, zum Beispiel, indem die Abstimmung mit den Ethikkommissionen vereinfacht oder Verträge standardisiert werden.

Anfang dieses Jahres wurde außerdem der im Rahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes erhobene Herstellerzwangsrabatt von zwölf Prozent auf das Vorniveau von sieben Prozent gesenkt. Damit sind wir zurück auf Los. 

Ganz aktuell kam es gestern, am 4. Juli, nach vielen Wochen Diskussion innerhalb des Bundesgesundheitsministeriums sowie den Ampel-Fraktionen, zur Verabschiedung von weitere Gesetzesanpassungen vom Gesundheitsausschuss des Bundestages. Dort ist nun festgehalten, dass Arzneimittel, die zu fünf Prozent an Teilnehmenden aus Deutschland klinisch geprüft wurden, größere preisliche Verhandlungsspielräume erhalten als Medikamente von Unternehmen, die ihre Studien nicht hierzulande durchführen. Konkret wird die Branche von Preisdeckeln und Zusatzrabatten befreit. Für uns, die wir uns zu Deutschland als Studienstandort bekennen,  ist das eine enorme Erleichterung. Es wird erwartet, dass das MFG spätestens nach der Sommerpause in Kraft treten kann. 

Insgesamt ist das Medizinforschungsgesetz ein wichtiges Signal an die Patientinnen und Patienten – und an die forschenden Arzneimittelhersteller. Die Regierung erkennt uns als Schlüsselindustrie an. Und wir wollen weiterhin unseren Beitrag für eine innovative Gesundheitswirtschaft in Deutschland leisten. Denn durch mehr Teilnahmemöglichkeiten an Arzneimittelstudien erhalten Patientinnen und Patienten hierzulande zusätzliche Therapiechancen.

Viel zu tun: Wirtschaftsstandort Deutschland stärken

Doch klar ist auch: Es braucht mehr als ein paar Korrekturen. Wir brauchen einen wahrhaften politischen Willen, um Bürokratie abzubauen, die Markt- und Produktionsbedingungen hierzulande zu verbessern, das AMNOG endlich zu reformieren und zukunftsfest zu machen und im internationalen Wettbewerb nicht weiter an Boden zu verlieren. Die Pharmastrategie muss weiter realisiert werden.

Heute, zwei Jahre nach den ersten Debatten um das Finanzstabilisierungsgesetz, sind wir also optimistischer gestimmt. Deutschland bleibt ein Standort für Spitzenforschung – wenn wir alle unseren Beitrag dazu leisten. Wir sind bereit, die Ärmel hochzukrempeln und die Chancen einer nationalen Pharmastrategie zu ergreifen. Und wir hoffen, die Politik ist es auch.“

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